Neugeborene kommen blind auf die Welt. Dass die Person vor ihnen ihre Mutter ist, lernen sie erst, wenn sie sie immer wieder vor sich sehen. Nur die ständige Wiederholung vermittelt ihrem Gedächtnis, dass es einen Zusammenhang zwischen der Person und ihrer Mutter gibt. So entstehen nach und nach Bilder im Kopf.
Beim Riechen und Schmecken ist es anders. Wer in seinem Leben noch nie an einem reifen, sonnenwarmen weißen Pfirsich gerochen hat, kann mit der Beschreibung "weißer Pfirsichduft" nichts anfangen, weil ihm die Kenntnis fehlt. Deshalb denken viele, dass sie nicht richtig schmecken oder riechen können. Es kann aber sein, dass jemand bei dem Geruch nach weißem Pfirsich an andere Dinge denkt - vielleicht an Lilie oder den weichen Sommerwind. Jeder Mensch braucht solche Eselsbrücken. Kurz gesagt: Wir nehmen zwar alle denselben Duft wahr, aber jeder von uns findet andere Worte dafür.
Genau das ist das Problem der herkömmlichen Weinsprache. Sie ist eine reine Fachsprache und benutzt Begriffe, die nur scheinbar aus der Alltagssprache stammen. Zum Beispiel samtige Struktur, stahlige Säure, Blumenbukett, dumpfer Nachhall.
Ich werde euch meine Eselsbrücken zeigen. Wie versprochen, werden wir jeden Monat unserem Ziel, ein guter Verkoster zu werden, ein Stückchen näher kommen.
Eure Elisabeth Pföstl
Text: Matt Skinner,Weinsommelier und Freund von Jamie Oliver